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Erklärung Antisemitismus GCJZ-Hamburg e.V.

Wort der Gesellschaft für Christlich‐Jüdische Zusammenarbeit in Hamburg angesichts des zunehmenden Antisemitismus


Die Gesellschaft für Christlich‐Jüdische Zusammenarbeit  in  Hamburg  will  mit  der
nachfolgenden Erklärung ihre Besorgnis angesichts der in  letzter  Zeit  immer  weiter  zunehmenden
antisemitischen  Äußerungen  und  Aktionen  zum Ausdruck  bringen.  Sie  ist  davon  überzeugt,  dass  die
dahinterstehende  Denkform  eine  wachsende Bedrohung für die Bürger dieses Landes darstellt.
Wir stellen mit Abscheu und Entsetzen fest, dass in Deutschland mehr als 70 Jahre nach der
Shoah  auf  Straßen  und  Plätzen  Rufe  wie  „Tod  den  Juden!“  und  „Juden  ins  Gas!“  zu
vernehmen sind. Juden sehen sich zunehmend genötigt, ihre Identität in der Öffentlichkeit
zu  verbergen,  um  nicht  zum  Ziel  antisemitischer  Übergriffe  zu  werden  –  seien  sie  verbaler
oder  sogar  physischer  Art.  An  Schulen  finden  sich  jüdische  Kinder  und  Jugendliche  in
Situationen  der  Ausgrenzung,  konfrontiert  mit  feindseligen  Haltungen  anderer  Schüler  und
Schülerinnen  („Du  Jude!“),  bis  hin  zu  gezieltem  Mobbing,  das  sie  aus  ihrem  schulischen
Umfeld  hinausdrängen  soll.  Beleidigungen  und  Herabsetzungen  aller  Art,  sogar  konkrete
Drohungen erfahren immer mehr Menschen in immer direkterer Form, allein, weil sie Juden
sind.  Schändungen  jüdischer  Grabstätten  und  Angriffe  auf  Synagogen,  von  antisemitischen
Sprühattacken bis hin zu Brandanschlägen, haben weiter zugenommen. Es darf nicht dahin
kommen, dass Juden oder Jüdinnen, wie z. B. schon in Frankreich und Belgien, auch bei uns
Opfer von gezieltem Mord werden.


Außer in offen antisemitischen Handlungen begegnet Antisemitismus auch in Einstellungen,
die bis in die Mitte der Gesellschaft hinein anzutreffen sind. Eine Weise, sie zum Ausdruck zu
bringen und das antisemitische Ressentiment dabei zugleich zu verdecken, ist jene Kritik an
Israel,  die  scheinbar  nur  aktuelle  politische  Entscheidungen  seiner  Regierung  verurteilt,  in
Wirklichkeit jedoch Israel als jüdischem Staat, in dem Juden und Jüdinnen in Sicherheit vor
Verfolgung  leben  können,  seine  Existenzberechtigung  abspricht.  Die  hierzu  verwendeten
rhetorischen  Mittel  und  Argumentationsformen  sind  zahlreich;  oft  beinhalten  sie  eine
vorsätzlich  selektive  und  dadurch  –  zu  Lasten  Israels  –  irreführende  Darstellung  aktueller
Ereignisse  im  Nahen  Osten  und  legen  zugleich  an  die  Politik  Israels  Maßstäbe  an,  die
gegenüber anderen Staaten keineswegs geltend gemacht werden.  
Zunehmend  beobachten  wir  die  Auswirkungen  antisemitischer  Ressentiments,  mit  denen
viele der Menschen aufgewachsen sind, die als Kriegsflüchtlinge aus Ländern des Nahen und
Mittleren  Ostens  zu  uns  gekommen  sind.  Wir  sind  dankbar  dafür,  dass  es  in  einer
gemeinsamen Anstrengung von Politik und Gesellschaft gelang, ihnen Aufnahme und Schutz
in  Deutschland  und  anderen  europäischen  Ländern  zu  ermöglichen.  Doch  wenn
antisemitisches  Denken  seinen  Ausdruck  in  judenfeindlichen  Verhaltensweisen  im  Alltag
1findet,  macht  uns  das  nicht  weniger  besorgt,  als  wenn  sich  Antisemitismus  im  deutschen
rechten, teilweise aber auch im linken politischen Spektrum zeigt. Nur allzu leicht könnten
sich diese Einstellungen gegenseitig verstärken, womöglich in organisierter Form.
All dies bewirkt eine öffentliche Atmosphäre (und soll dies vielfach auch), in der Juden sich
fragen, ob sie in diesem Land weiterhin werden leben können. Sie zerstört die zarte Pflanze
des  Vertrauens,  das  nach  der  Erfahrung  von  Ausgrenzung,  Verfolgung  und  Vernichtung  in
den  Zeiten  der  nationalsozialistischen  Gewaltherrschaft  über  Europa  sehr  langsam  und  in
einem  Jahrzehnte  währenden  Prozess  wachsen  konnte.  Dieses  Vertrauen  war  stets
gefährdet durch Irritationen und Rückschläge, doch waren sie in der Vergangenheit nicht so
groß wie heute. 


Über  sein  unmittelbares,  gegen  Juden  und  jüdisches  Leben  in  Deutschland  gerichtetes  Ziel
hinaus  bedeutet  Antisemitismus  einen  Angriff  auf  die  Grundlagen  unserer  Gesellschaft.
Antisemitismus  heißt,  einer  Gruppe  von  Personen  ihre  Würde  als  Menschen  abzusprechen
und  ihre  Grundrechte  mit  Füßen  zu  treten.  Gegen  diesen  Versuch,  den  grundlegenden,
wertebasierten Konsens zu zerstören, in dem die Identität dieses Landes und seiner Bürger
und Bürgerinnen wurzelt, müssen wir unsere Stimme erheben und uns klar und solidarisch
an die Seite derer stellen, gegen die der antisemitische Hass sich richtet.


Deswegen  erklären  wir:  Wer  Juden  in  diesem  Land  angreift,  der  greift  auch  uns  an!  Dazu
bekennen  wir  uns  als  Christen  und  Christinnen,  denen  die  freundschaftliche
Zusammenarbeit  mit  Juden  und  Jüdinnen  und  die  nachhaltige  Überwindung  des  unseligen
Erbes  theologisch  legitimierter  Judenfeindschaft  wichtigste  Anliegen  sind.  Dazu  bekennen
wir  uns  ebenso  als  Bürger  und  Bürgerinnen  eines  demokratischen  Rechtsstaates,  dessen
Grundprinzipien  einen  antisemitischen,  rassistischen  oder  anders  begründeten
diskriminierenden  Umgang  mit  Menschen  nicht  zulassen.  Wir  stehen  für  eine
Verfassungsordnung  ein,  in  deren  Zentrum  der  Schutz  der  Menschenwürde  steht,  und
appellieren an alle Bürger dieses Landes, ebenso wie an jene, die erst in jüngerer Zeit zu uns
kamen, den Kampf um die Erhaltung dieser Ordnung entschlossen mit zu tragen.


Unsere  Solidarität  und  Verbundenheit  gilt  unseren  jüdischen  Partnern  und  Freunden.  Wir
wollen, dass sie wissen, dass sie in der Bedrängnis, die sie gegenwärtig erfahren, nicht allein
stehen.  Die  Erfahrungen  der  Jahre  ab  1933  dürfen  sich  nicht  wiederholen.  Nie  wieder
werden wir sie in einer Situation im Stich lassen, in der sie gegen Versuche der Ausgrenzung
unbedingte  Unterstützung  finden  müssen.  Nur  so  ist  unser  Engagement  in  der  christlich‐
jüdischen Zusammenarbeit glaubwürdig.
 
Beschlossen  durch  den  Vorstand  der  Hamburger  Gesellschaft  für  Christlich‐Jüdische
Zusammenarbeit am 28. März 2018